Die meisten Reiter/innen und Pferdebesitzer/innen erleben es zumindest einmal im Leben: Das Pferd lässt sich nicht einfangen und man steht auf der Koppel und fühlt sich wie der letzte Depp.
Was Du tun kannst, wenn Dein Pferd lieber wegläuft als sich einfangen zu lassen und welche Fehler Du vermeiden solltest, erzähle ich heute im Video (Du willst das Ganze lieber lesen? Dann lies einfach hier unter dem Video weiter, da habe ich alle Infos zusammengefasst):
Warum lässt sich Dein Pferd nicht einfangen?
Der wichtige erste Schritt, wenn Dein Pferd sich nicht einfangen lässt, ist die Ursachenforschung: Warum lässt es sich nicht einfangen?
Wenn Dein Pferd nicht mit Dir von der Koppel kommen möchte, kann das verschiedene Gründe haben, z.B.:
- Die gemeinsame Zeit mit Dir ist mit etwas Unangenehmen verbunden (Schmerzen beim Reiten, Überforderung im Training, etc.)
- Du hast Dein Pferd neu und es kennt Dich noch nicht gut genug, als dass es mit dir mitgehen möchte (Pferde sind Herdentiere und fühlen sich in der Herde sicherer – gerade wenn sie den Menschen nicht gut kennen, mit dem sie die Herde verlassen sollen)
- Schlechte Erfahrungen mit Menschen
- Dein Pferd klebt allgemein an seiner Herde
- Das Gras ist verlockender als die Aussicht auf „Arbeit“ mit Dir
- uvm
Je nachdem wo die Ursache liegt, musst Du dann entsprechend vorgehen:
- Stelle sicher, dass Dein Pferd im Training keine Schmerzen hat und nicht überfordert ist.
- Stelle sicher, dass die gemeinsame Zeit, die Du mit Deinem Pferd verbringst, positiv ist. Nimm es nicht nur zum Arbeiten von der Koppel, sondern auch mal nur zum Putzen und Füttern – es soll wissen, dass Deine Ankunft nicht immer mit Anstrengung verbunden ist.
- Wenn Du Dein Pferd neu hast: Arbeite daran eine Verbindung und Vertrauen aufzubauen.
- Wenn Dein Pferd an der Herde klebt: Treibe die gesamte Herde an’s Koppeltor und nimm Dein Pferd dann dort von der Koppel, das klappt meistens ganz gut und wird von Mal zu Mal besser. Mehr Tipps zu klebenden Pferden gibt’s hier.
- Seit konsequent und geduldig.
So fängst Du Dein Pferd richtig ein
Das wichtigste, wenn Du das Einfangen trainieren willst, ist, dass Du Dir ausreichend Zeit nimmst. Versuch nicht Dein Pferd einzufangen, wenn Du unter Zeitdruck stehst (weil z.B. der Schmied in 10 Minuten da ist). Leg das Training stattdessen auf einen Tag, an dem Du sonst nicht viel vor hast – das kann schonmal ein Stündchen (oder länger) dauern.
Wir Menschen neigen dazu, geradlinig und zielstrebig von einem Ort zum Anderen zu laufen. Wenn Du also Dein Pferd einfangen willst, gehst Du vermutlich direkt auf es zu. Das ist ein typisches „Raubtierverhalten“, das Dein Pferd als Beutetier sofort registriert und das ihm möglichwerweise Sorgen macht. Die meisten Pferde haben damit kein Problem und haben gelernt, dass der Mensch sich nunmal so annähert. Aber wenn Du ein Pferd hast, das sich sowieso schon nicht gerne einfangen lässt, dann solltest Du eine solche Annäherung vermeiden.
Stattdessen solltest Du in einem weiten Bogen oder leichten, großen Schlangenlinien auf das Pferd zugehen. Du näherst dich ihm also nicht in einer geraden Linie, sondern mehr von der Seite. Dabei lässt Du Dir Zeit und fixierst es nicht (Du kannst schon immer wieder hinschauen, aber starre es nicht die ganze Zeit an). Tu so, als wärst Du gar nicht so dringend an Deinem Pferd interessiert.
Früher oder später wird Dein Pferd Dich anschauen. Dann bleibst Du stehen, am besten mit dem Oberkörper etwas von ihm weggedreht, Du kannst auch von ihm wegschauen. Schaut Dein Pferd wieder weg oder macht es einen entspannten Eindruck, näherst Du Dich weiter langsam an. Macht Dein Pferd einen sehr nervösen Eindruck, kannst Du auch einen Schritt zurückgehen – das nimmt etwas den Druck aus der Situation.
Sollte Dein Pferd weglaufen, läufst Du mit. Achte dabei darauf, dass Du nicht hinter ihm in einer treibenden Position läufst, sondern eher parallel bleibst. Bleibt Dein Pferd stehen, bleibst auch Du stehen. Macht es einen entspannten Eindruck, näherst Du Dich wieder an.
Galoppiert Dein Pferd ans andere Ende der Koppel, läufst Du ihm ruhig und entspannt hinterher und näherst Dich dann wieder langsam an, wenn Du in seiner Nähe bist.
Es ist absolut wichtig, dass Du selbst die ganze Zeit ruhig und gelassen bleibst – regst Du Dich auf, spürt das Dein Pferd und lässt sich vermutlich noch schlechter einfangen.
Wenn Du irgendwann bei Deinem Pferd angekommen bist, solltest Du Dich nicht dazu verleiten lassen dann schnell und hektisch das Halfter anzuziehen. Du trainierst ja, dass Dein Pferd sich entspannt von der Koppel holen lässt – ein hektisches Überfallen mit dem Hafter ist da eher kontraproduktiv. Stattdessen solltest Du Dir hier genauso viel Zeit lassen wie in der Annäherung: Zeig Deinem Pferd das Halfter, nähere Dich vielleicht sogar schon etwas mit dem Halfter an und wenn Dein Pferd zum Halfter schaut, nimmst Du es wieder weg. Das machst du so lange, bis Dein Pferd entspannt ist. Du kannst Deinem Pferd auch Leckerli geben, das würde ich in dem Fall aber nur bei eher zurückhaltenden Pferden tun, die etwas Ermutigung gebrauchen können.
Sollte Dein Pferd wieder weglaufen, wenn Du das Halfter auspackst, dann läufst Du entspannt mit und näherst Dich wieder wie oben beschrieben an. Lass Dir Zeit!
Wenn Du Deinem Pferd das Halfter entspannt anziehen konntest, gibt ihm ein Leckerli, zieh ihm das Halfter wieder aus und beende damit das Training. Dein Pferd muss nicht mal mitkommen, sondern es soll lernen, dass es nichts Dramatisches ist, wenn Du mit Halfter auf die Koppel kommst und es ihm anziehst.
In der nächsten Trainingseinheit kannst Du Dein Pferd dann ein Stück führen. Wieder in der nächsten bringst Du es an den Putzplatz, putzt und fütterst und bringst es dann wieder zurück. So kannst Du Dich von Mal zu Mal steigern – je nach Pferd kann man das schnell oder langsam tun, das musst Du dann einschätzen.
Fazit
Wenn Du bis hierhin gelesen hast wird Dir klar sein: Um das Einfangen zu trainieren, brauchst Du vor allem Zeit und viel Geduld. Wenn Du diese Zeit am Anfang investierst, wird das aber von Mal zu Mal besser werden und Dein Pferd wird sich immer schneller und entspannter einfangen lassen.
Du kannst Dich auch einfach mal mit einem Buch auf die Koppel setzen – die meisten Pferde sind super neugierig und werden eher früher als später bei Dir vorbeischauen. Dann kannst Du auch Dein Pferd begrüßen, es streicheln und ihm vielleicht ein Leckerli geben und es dann wieder ignorieren. Ziel ist immer, Deine Anwesenheit als etwas ganz normales zu etablieren. Wenn Du das schaffst, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zum entspannten einfangen! (Ich bin z.B. im Sommer immer in meiner Mittagspause auf die Koppel und hab dort mein Mittagsbrot gegessen. Innerhalb von kürzester Zeit konnte ich zu jedem Pferd der Herde – auch denen, die eigentlich scheu waren.)
Liebe Christina, dein Beitrag hat mir sehr weitergeholfen! Ich hatte immer Probleme, mein Pferd einzufangen und bin davon ausgegangen, es wollte lieber weiter grasen. Vor allem wenn andere Reiter meine kläglichen Versuche mein Pferd einzufangen, vom Stall aus beobachten konnten, kam ich mir echt ein wenig blöd vor. Dank deinem Tipp, nicht direkt und gezielt auf das Pferd zu zugehen, klappt das von der Wiese holen endlich viel viel besser! Danke dir.
Mein Pferd ist frisch von der Insel und seit zwei Tagen auf der Wiese. Er kennt noch nicht viel und mich natürlich auch nicht. Ich gehe wie oben beschrieben vor und hoffe, es bessert sich mit der Zeit.