
Im letzten Artikel habe ich Dir die verschiedenen Gebisse vorgestellt. Wie versprochen gibt es jetzt hier die gebisslosen Zäumungen.
Warum gebisslos?
Lesetipps: In ihrem Cavallo-Artikel „Maul halten“ schreibt Ulrike Dobberthien über die negativen Auswirkungen von Metall im Pferdemaul – auch wenn es gar keine Zügeleinwirkung gibt.
Line von Kultreiter hat einen sehr informativen Artikel über die Vor- und Nachteile des gebisslosen Reitens geschrieben.
Ich reite je nach Pferd ganz gerne gebisslos. Vor allem bei schwierigeren Pferden, die sowieso nicht mehr gut aufs Gebiss reagieren, habe ich damit schon gute Erfahrungen gemacht.
Gebisslos zu reiten ist für mich immer auch eine gute Kontrolle, ob ich wirklich zügelunabhängig reite. Es ist eine gute Methode sich wieder mehr auf die anderen Hilfen zu konzentrieren. Außerdem merkt man, wie wenig man die Zügel tatsächlich braucht.
Gebisslos wird oft als sanfter als mit Gebiss bezeichnet
Je nach gebissloser Zäumung sehe ich das nicht so. Mit einer harten Hand und der entsprechenden Zäumung kannst Du Deinem Pferd genauso viele Schmerzen zufügen wie mit einem Gebiss!
Du solltest Dir darüber im Klaren sein, dass gebisslos nicht gleich sanft und schmerzfrei bedeutet.
*** Achtung! Die Bilder sind nur dazu da um zu zeigen wie die Zäumungen aussehen. Sie sind KEINE Anleitung dafür, wie sie am Kopf Deines Pferdes zu sitzen haben! Dazu solltest Du Dir jemanden suchen, der Ahnung davon hat, wenn Du es nicht selbst weißt. ***
Sidepull
Das Sidepull ist ähnlich aufgebaut wie ein Halfter. Es wirkt nur auf die Nase des Pferdes und kann gut zum Lenken verwendet werden. Bremsen dagegen ist eher schwierig, wenn Dein Pferd sich nicht bremsen lassen will.
Wenn Du eine sanfte gebisslose Zäumung zum Einstieg suchst und ein Pferd hast, das sich gut bremsen lässt, ist das Sidepull eine gute Entscheidung.
Bitless Bridle
Das Crossover Bitless Bridle hat zwei Kehlriemen, die sich unter dem Kopf des Pferdes überkreuzen und dann durch Ringe an der Seite der Zäumung geführt werden. Die Zügel hängen dann an diesen Kehlriemen. Ziehst Du am linken Zügel entsteht ein leichter Druck auf die rechte Kopfseite. Das Bridle wirkt auf Kinn/Kiefer, Ganasche, Nasenrücken und Genick.
Die Idee hinter der Zäumung ist, dass der Kopf des Pferdes nicht zu einer Seite gezogen wird, sondern „gedrückt“. Wenn Du nach links reiten willst und am linken Zügel ziehst, soll es für Dein Pferd so sein, als würde ihm jemand sanft rechts gegen den Kopf drücken und ihn nach links schieben.
Kritiker bemängeln an dieser Zäumung, dass die Hilfen zeitverzögert ankommen und zu schwammig sind. Außerdem kann es vorkommen, dass sich die Kehlriemen zuziehen und der Druck nicht sofort dann nachlässt, wenn der Zügel wieder locker gelassen wird.
Glücksrad / LG-Zaum / RG Zaum / Glücksstern
Das Glücksrad wirkt auf Kinn, Nasenrücken und Genick.
Je nachdem wo die Zügel im Rad eingeschnallt sind, wirkt es mehr oder weniger scharf. Je mehr sich das Rad bei Zügelanzug dreht, desto schärfer die Wirkung. Das solltest Du nicht unterschätzen.
Lesetipp: Petra von Pferdeflüsterei hat ein spannendes Interview mit der Erfinderin des Glücksrads geführt.
Star Bridle
Das Star Bridle wirkt über Hebelwirkung auf Nase, Kinn und Genick, ähnlich wie ein Hackamore.
Durch die drei verschiedenen Öffnungen im Metallteil kannst Du das Bridle mehr oder weniger scharf einstellen. Von gar keinem Hebel bis hin zu einem starken Hebel ist alles möglich.
Wenn Du Die Zügel so eingeschnallt hast, dass es einen Hebel gibt, solltest Du mit dem Bridle vorsichtig umgehen. Du kannst Deinem Pferd unter Umständen damit genauso Schmerzen zufügen wie mit einer Kandare.
Deshalb gehört das Star Bridle nur in erfahrene Hände.
Mechanisches Hackamore (Barock, Mini, Schenkel, Blume)
Das Hackamore wirkt durch seine Hebel (die „Shanks“) auf Kinn, Nasenrücken und Genick. Also ganz ähnlich wie eine Kandare – nur ohne Gebiss. Dementsprechend gehört es nicht in unerfahrene Hände.
Je nach Länge der Shanks kannst Du schon mit leichtem Zug an den Zügeln viel Druck ausüben und großen Schaden anrichten. Das Hackamore wird einhändig geritten und eignet sich deshalb nicht besonders zum Biegen und Lenken des Pferdes.
Bosal
Das Bosal wird in der Westernreiterei oft übergangsweise als Ausbildungszäumung genutzt. Es wirkt vor allem auf den Nasenrücken, aber auch auf den seitlichen Unterkiefer. Seitwärtsgerichtete Zügelhilfen sind nur eingeschränkt möglich, da die Zügel am Kinn verschnallt sind.
Es kann je nach dicke und Material relativ scharf wirken und gehört nur in erfahrene Hände.
Mit einem Bosal kannst Du einiges falsch machen, deshalb solltest Du spezielle Kurse besuchen bevor Du damit reiten möchtest.
Den richtigen Umgang mit gebisslosen Zäumungen sollte man von einem Profi lernen
Wie Du siehst sind gebisslose Zäumungen nicht zwingend sanft und pferdefreundlich. Auch hier ist es wahnsinnig wichtig, dass Du eine weiche Hand hast und weißt was Du tust. Gebisslos reiten ist eine Kunst für sich und nichts, was man „einfach mal so“ ohne Vorbereitung machen kann.
Trotzdem lohnt es sich immer neue Wege der Kommunikation mit seinem Pferd auszuprobieren. Für mich ist es keine Frage, dass Metall im Pferdemaul nicht unbedingt notwendig ist und man auch Alternativen austesten sollte.
Wenn Du anfangen willst gebisslos zu reiten, solltest Du Dir Unterricht nehmen und Dir und Deinem Pferd genug Zeit geben diese neue Art der Kommunikation zu lernen und zu verstehen!
Lesetipp: Romy Wirtz von hors-e-motion.de schreibt ausführlich und sehr informativ über ihre Erfahrungen mit den unterschiedlichen gebisslosen Zäumungen. Sehr lesenswert!
Und zum Schluss noch ein paar Videos um zu zeigen, dass auch Dressur gebisslos möglich ist:
Mit welchem gebisslosen Zaum reitest Du? Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Ab in die Kommentare damit!