
Über Gebisse sollte man als Reiter Bescheid wissen. Eigentlich.
Ich muss leider eingestehen, dass ich mir da über die Jahre nicht so wahnsinnig viele Gedanken drum gemacht habe. Einerseits lag das daran, dass die Pferde, die ich reite, in der Regel nicht mir gehören und ich wenig Einfluss auf die Wahl des Gebisses habe. Andererseits dachte ich mir, dass ich mit der üblichen Wassertrense und ab und an gebisslos nichts falsch machen kann. Schließlich hat man mir von Kindesbeinen an erzählt, dass eine Wassertrense ein sanftes Gebiss ist.
Vor kurzem bin ich dann über ein Video über die Wirkungen von einfach und doppelt gebrochenen Trensen gestolpert und habe beschlossen mich eingehender mit Gebissen und Zäumungen zu befassen.
Wassertrense sanft? Weit gefehlt.
Wie wirken Gebisse wirklich?
Damit Du nicht auch den gleichen Vorurteilen auf den Leim gehst wie ich, stelle ich Dir in diesem Artikel die häufigsten Gebisse vor und wie sie wirken.
Von der Ausrede „ich habe ja eine sanfte Hand und kann mit dem Gebiss umgehen“ halte ich im Übrigen nicht besonders viel – das habe ich schon zu oft von Menschen gehört, denen ich mein Pferd nicht mal zum Führen geben würde. Manchmal kann man selbst gar nicht einschätzen ob man eine harte Hand hat oder nicht.
Ich weiß, das Gebiss-Thema ist sehr umstritten. Ich möchte hier auch niemanden verurteilen der „scharfe“ Gebisse nutzt – so lange er oder sie weiß was er tut! Meine Auflistung soll bewusst machen, wie die einzelnen Gebisse wirken und welche Auswirkungen es haben kann, wenn man sie falsch benutzt.
Wenn Du ein scharfes Gebiss benutzt und Dein Pferd damit total zufrieden läuft – Perfekt!
Du bis lieber gebisslos unterwegs? Dann schau mal hier!
Stange
Eine Stange wirkt auf Zunge und Laden. Wenn man nur an einem Zügel zieht, kann die Stange an einer Seite auf Zunge und Laden drücken. Dein Pferd kann dem ein bisschen entgegenwirken indem es die Stange mit seiner Zunge an den Gaumen drückt, das ist aber natürlich nicht Sinn der Sache. Solch ein Gebiss solltest Du also nur einsetzen, wenn Du bereits feine Hilfen geben kannst und nicht am Zügel ziehst.
Einfach gebrochene Trense
Ein einfach gebrochenes Gebiss wirkt auf die Laden und die Zunge des Pferdes. Dein Pferd kann dem ein bisschen entgegenwirken indem es die Stange mit seiner Zunge an den Gaumen drückt, allerdings nur, wenn Du nicht wirklich fest ziehst.
Bei einseitigem Zügelzug wirkt es nur auf die Lade der einen Seite und hilft somit dabei genau getrennte Hilfen zu geben.
Der befürchtete „Nussknackereffekt“ (das Gebiss wirkt wie ein Nussknacker auf die Laden und drückt gegen den Gaumen) wurde mittlerweile von Studien widerlegt.
Doppelt gebrochene Trense
Ein doppelt gebrochenes Gebiss wirkt auf die Laden und die Zunge.
Dadurch, dass sich das Gebiss bei beidseitigem Zügelzug nicht aufstellt, kann es sehr stark auf die Zunge und die Laden wirken und kann diese einquetschen. Dein Pferd kann dem auch nicht entgehen, wenn es das Gebiss an den Gaumen drückt.
Olivenkopf und Knebeltrense
Olivenkopf und Knebeltrense bedeuten, dass der Trensenring fest am Gebiss fixiert ist. Dadurch bewegt sich das Gebiss weniger im Pferdemaul. Eine unruhige Reiterhand überträgt somit aber auch unter Umständen deutlicher die Bewegung ins Maul.
Kandaren
Bei allen Kandarengebissen gilt:
Je länger die Schenkel sind, desto später wirkt das Gebiss und umso härter. Je kürzer die Schenkel sind, desto „weicher“ das Gebiss, aber umso schneller wirkt es auch.
Der Metallteil über dem Gebiss bestimmt wie scharf das Gebiss ist. Je länger, desto mehr Druck auf Maulwinkel und Genick und desto schärfer das Gebiss.
- Lange Schenkel und kurzer Metallteil über dem Gebiss: wirkt hart aber erst relativ spät – hohe Verletzungsgefahr bei grober Hand!
- Kurze Schenkel und kurzer Metallteil über dem Gebiss: wirkt relativ „sanft“ aber sehr schnell – schlecht bei unruhiger Hand.
Mit entsprechend feiner Hand und reiterlichem Können kann mit einer Kandare sehr fein geritten werden. Fehlt dieses Können und wird die Kandare mit harter Hand zum Bremsen eingesetzt, kann dem Pferd viel Schaden zugefügt werden.
3-Ring-Trense / Pessoa / Springkandare
Dieses Gebiss wirkt hauptsächlich auf die Maulwinkel, übt aber auch Druck im Genick aus. Wenn es mit doppelt oder einfach gebrochenem Gebiss kombiniert wird, kommen deren Wirkungen noch dazu. Dadurch, dass es keine Kinnkette gibt und die Hebel kurz sind, wirkt das Gebiss sehr schnell (kurze Hebel) und kann sehr scharf werden (keine Kinnkette).
Pelham
Das Pelham gibt es mit Stange, gebrochen und doppelt gebrochen. Mit Stange und vier Zügeln geritten soll es wie eine Kombination aus Trense und Kandare wirken. Dadurch, dass die Gebisse nicht getrennt sind, wirkt das Ganze aber deutlich ungenauer und kann eigentlich nur zum Bremsen genutzt werden.
Die Probleme der einfach und doppelt gebrochenen Gebisse kommen hier zu seiner Einwirkung auf die Maulwinkel hinzu. Du solltest das Pelham mit gebrochenem Gebiss also vermeiden, damit tust Du Deinem Pferd keinen Gefallen!
Klassische Dressurkandare
Die klassische Kandare hat ein Stangengebiss mit Zungenfreiheit. Zusätzlich wird eine Unterlegtrense verwendet. Die Kinnkette verläuft über der Unterlegtrense und wird so verschnallt, dass die Hebel erst bei einer Stellung von 45 Grad wirken.
Ist die Kette enger wirkt das Gebiss sehr scharf und kann bei einer zu harten Hand und starkem Anzug bis hin zu Kieferbrüchen führen, da die Kette auf den Unterkiefer wirkt. Die Wölbung der Zungenfreiheit kann an den Gaumen und auf die Zunge drücken.
Island-Kandare
Die Islandkandare gibt es mit einfach und doppelt gebrochenem Gebiss.
In Island wurde sie früher nur als Notbremse genutzt und ist nur zum Reiten mit langem Zügel geeignet. Bei Zügelanzug wirkt sie durch die frei beweglichen Schenkel stark quetschend auf die Wangeninnenseiten und aufgrund des fehlenden Oberbaums (der Metallteil über dem Gebiss bei Kandaren) quetschend auf die Maulwinkel.
Peruanische Kandare
Die peruanische Kandare ist in einigen Kreisen – absolut zu recht – verboten. Sie wirkt durch die frei beweglichen Schenkel stark quetschend auf die Wangeninnenseiten. Die Noppen und Haken an dem Gebiss wirken stark auf die Zunge.
Lesetipp: Nadja von Pferde verstehen schreibt sehr auführlich und gut verständlich über die Kombination gebrochenes Mundstück mit Hebelwirkung (Tom Thumb Bit).
Hör bei der Auswahl eines Gebisses auf Dein Pferd
Du siehst, mit einer groben Hand kannst Du einen ziemlichen Schaden im Maul Deines Pferdes anrichten!
Jedes Gebiss hat das Potential Dein Pferd zu verletzen. Grobes, dauerhaftes und ruckartiges Anziehen der Zügel ist also – egal bei welchem Gebiss – ein absolutes No-Go!
Wenn Du Dein Pferd anders nicht bremsen kannst, hast Du auf ihm erstmal nichts mehr verloren, sondern solltest eure Probleme dauerhaft und nachhaltig mit Hilfe eines Profis lösen. Dazu sind Gebisse nicht da.
Welches Gebiss Du für Dein Pferd aussuchst, solltest Du davon abhängig machen, was genau Du mit Deinem Pferd machen möchtest und wie Dein reiterliches Können ist. Da solltest Du ehrlich zu Dir sein und vielleicht auch mal andere erfahrene Reiter oder Deinen Reitlehrer fragen.
Dazu kommt noch, dass jedes Gebiss passen muss: ist es zu breit/zu schmal oder zu dick für Dein Pferd, wird es ihm unangenehm sein, ganz egal welches Gebiss es ist. Mehr Informationen zu Gebissen, ihrer Wirkung und Passform findest Du hier.
Und Du solltest nicht vergessen Dein Pferd zu „fragen“ wie es das Gebiss findet – die meisten Pferde zeigen Dir sehr deutlich ob ihnen ein Gebiss „gefällt“ oder nicht. Sie wollen z.B. nicht mehr das Maul öffnen, schlagen mit dem Kopf, reagieren schlecht auf Zügelhilfen, sperren, etc.
Wie siehst Du das Thema? Habe ich ein wichtiges Gebiss vergessen? Welches Gebiss benutzt Du und wieso? Ich freue mich auf Deine Kommentare!