
Die liebe Petra von der Pferdeflüsterei hat mich in ihrem neusten Artikel und Start einer neuen Serie über Liberty Work (Freiarbeit) dazu aufgefordert, doch mal über meinen Weg zum gegenseitigen Vertrauen mit Pferden zu schreiben.
Das tue ich natürlich sehr gerne.
Und weil jedes Pferd anders ist und ich bei jedem auch immer ein bisschen anders vorgehe, dachte ich mir, ich erzähle Dir mal, wie es bei meinen letzten drei Reitbeteiligungen gelaufen ist. Denn unterschiedlicher konnten diese drei Ponys kaum sein.
Ich denke es versteht sich von selbst, dass es so viele Typen Pferde wie Sand am Meer gibt. Jede Unterteilung kann immer nur in eine grobe Richtung weisen und Du solltest Dein Pferd keinesfalls in eine Schublade stecken.
Herdenchefin Svala
Meine allererste Reitbeteiligung und das Pony einer guten Freundin.
Svala hatte alles im Griff. Ob Pferde, Menschen oder Hunde, die selbstbewusste Fuchsstute wusste wie man sich durchsetzt. Demenstsprechend unbegeistert war sie auch, als da plötzlich ein neuer Mensch kam der ihr sagen wollte wo’s lang geht.
Vertrauen? Pustekuchen!
In den ersten drei Monaten hatten wir beim Ausritt an jeder einzelnen Weggabelung eine Diskussion, wo wir langgehen. Ich wollte rechts – Svala wollte links.
Ich wollte vom Hof weg – Svala ging nicht mehr vorwärts. Ich trieb – Sie rannte rückwärts. Gerte? Steigen!
Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich irgendwann deprimiert dachte „das Pony hasst mich“ und kurz davor war aufzugeben.
Aber aufgeben liegt mir nicht im Blut und siehe da, nach etwas mehr als drei Monaten waren unsere Meinungsverschiedenheiten verschwunden. Svala hatte mich akzeptiert und fing an meinen Entscheidungen zu vertrauen. Ab da hatte ich das Glück das tollste Pony der Welt reiten zu dürfen. Sie war mutig, verlässlich, neugierig und temperamentvoll. Ich konnte mich voll auf sie verlassen.
Und so hatte nicht nur sie Vertrauen in mich gewonnen, sondern auch ich vertraute ihr.
Vertrauen aufbauen bei einem dominanten Pferd
Ich mag dominante Pferde unheimlich gerne, sie sind immer eine Herausforderung und meist sehr interessante Charaktere. Wenn man es schafft ihr Vertrauen zu gewinnen hat man einen großartigen Partner an seiner Seite.
Diese Pferde sind es gewöhnt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und in der Herde das Sagen zu haben. Wenn ein neuer Mensch in ihr Leben tritt muss der sich erst mal beweisen.
Ich finde Konsequenz im Umgang mit jedem Pferd wichtig – bei dominanten Pferden ist sie aber essentiell. Sie merken sich alles und lassen nichts durchgehen. Wenn sie sich durchsetzen können werden sie es tun.
Bei dominanten Pferden musst Du auf Folgendes achten:
- Sei immer konsequent: verlange nur Sachen, die Du auch bereit bist durchzusetzen und die Du auch durchsetzen kannst. Lass Dich nie auf „Kämpfe“ ein, von denen Du schon von Anfang an weißt, dass Du nicht gewinnen kannst.
- Sei konsistent: wenn Dein Pferd heute etwas nicht darf, dann darfst Du es ihm auch morgen nicht erlauben.
- Lass Dich nicht herumschubsen oder vom Pferd treiben (siehe meinen Artikel zum richtigen Führen). Oft passiert das ganz unbewusst: Dein Pferd macht einen Schritt zur Seite und Du machst ihm Platz. Oder Dein Pferd geht schneller und Du wirst automatisch auch schneller.
- Sei immer fair und ärgere Dich nicht über Dein Pferd. Es macht das nicht, weil es Dir Böses will, sondern weil es testet, ob Du vertrauenswürdig bist.
- Lass Dir und Deinem Pferd genug Zeit. Je mehr Zeitdruck Du Dir machst desto länger wird es dauern.
Ganz konkret habe ich mit Svala ein bisschen Bodenarbeit (im Roundpen) gemacht und immer darauf geachtet, dass sie sich mehr bewegen muss als ich (mehr dazu gibt es in meinem nächsten Artikel). Außerdem bin ich viel mit ihr ins Gelände.
Wenn sie an einer Kreuzung nicht da lang wollte, wo ich hin wollte sind wir einfach stehengeblieben. Das fand sie selbstverständlich doof, also lief sie los. Natürlich in die Richtung, die sie sich ausgesucht hatte. Ich habe dann nichts weiter getan als sie umzudrehen. Und schon blieb sie wieder stehen.
Ich habe nicht getrieben, ich habe nicht geschnalzt und ich habe erst recht nicht die Gerte benutzt. Ich habe ihr die Entscheidung überlassen: wir bleiben stehen, du läufst in die falsche Richtung und ich drehe dich um oder du läufst in die richtige Richtung und ich lobe dich und lasse dich in Ruhe.
Mir war es egal wie sie sich entscheidet. Ich war genau so ruhig wenn sie in die falsche Richtung lief wie wenn sie stehen blieb. Nur wenn sie richtig entschieden hatte habe ich ihr meine Freude gezeigt und sie ausgiebig gelobt.
Am Anfang hat das durchaus mal eine halbe Stunde gedauert. Unsere Ausritte bestanden aus 10 Minuten reiten bis zur Kreuzung, dort dann 30 Minuten rumstehen oder im Kreis drehen. Und wieder 10 Minuten zurückreiten zum Hof. Für so etwas muss man sich natürlich genug Zeit nehmen, wenn ich Zeitdruck hatte habe ich mich gar nicht erst auf’s Pony gesetzt. Wenn Du so etwas anfängst musst Du es auch in Ruhe durchziehen – wie gesagt: immer konsequent sein!
Ganz ähnlich bin ich auch vorgegangen, wenn sie nicht mehr vorwärts laufen wollte. Einfach so lange stehen bleiben – oder wieder umdrehen, wenn sie sich gedreht hatte – bis sie die Entscheidung traf doch lieber vorwärts zu gehen.
Dieses Vorgehen hat bei uns Wunder gewirkt!
Nur die verwunderten Blicke und „lustigen“ Kommentare von Spaziergängern und anderen Reitern musst Du aushalten ;-)
Zurückhaltender Draumur
Draumur kommt ursprünglich aus Island.
Wie das so viele der importierten Isis an sich haben war er anfänglich mir gegenüber sehr reserviert. Er ließ sich brav von der Koppel holen, hat mich aber permanent misstrauisch beäugt und reagierte schreckhaft auf schnelle Bewegungen.
Im Gegensatz zu Svala hat er überhaupt keine wilden Sachen gemacht um mich zu testen – oder sie waren so minimal, dass ich es nicht gemerkt, bzw. nicht als schlimm empfunden habe. Trotzdem habe ich gespürt, dass er sich nicht fallen ließ und immer ein bisschen angespannt war wenn er mit mir losgezogen ist.
Gerade bei etwas zurückhaltenden, aber ansonsten sehr braven Pferden bemühen sich viele Leute nicht um das Vertrauen und es fällt irgendwie unter den Tisch. Ich finde das sehr schade, denn auch diese Pferde sollen sich bei ihren Menschen wohl und sicher fühlen und können richtig aus sich heraus gehen wenn das so ist.
Vertrauen aufbauen bei einem zurückhaltenden Pferd
Ich habe mit Draumur viel Zeit auf der Koppel verbracht. Einfach mal zusammen rumstehen. Oder ich hab mich zu ihm hingesetzt und ein Buch gelesen. Oder ich habe ihn gekrault. Hauptsache gemeinsame Zeit ohne Erwartungen und ohne Agenda. Alles easy.
Das hat ihn einerseits neugierig gemacht, andererseits wurde meine Anwesenheit zur Normalität und er hat sich immer mehr an mich gewöhnt.
Mit ihm hätte ich zum Beispiel niemals so im Roundpen trainiert wie mit Svala – ich bin mir sicher er hätte dort nur Stress gehabt und ich hätte unser aufkeimendes Vertrauen zerstört.
Es hat gar nicht lange gedauert, da hat er sich auf der Koppel neben mir zum Dösen hingelegt.
Bei zurückhaltenden Pferden musst Du auf Folgendes achten:
- Denke nicht, dass Dein Pferd Dir vertraut, nur weil es zurückhaltend ist und keine Probleme macht. In einer Ausnahmesituation kann man dann unter Umständen sehr unangenehm überrascht werden.
- Sei einfühlsam, freundlich und ruhig.
- Lass „Dominanztraining“ weg oder führe es nur sehr vorsichtig aus – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Du Dein Pferd damit eher einschüchterst und es sich von Dir zurückzieht.
- Verbringe mit Deinem Pferd viel gemeinsame Zeit ohne etwas von ihm zu verlangen. Putze es ausgiebig, kraule es, setz Dich zu ihm auf die Koppel, gehe Spazieren, …
Viele zurückhaltende Pferd blühen richtig auf wenn man mit ihnen clickert und zum Beispiel Zirkuslektionen übt. Bei Draumur hat das leider nicht geklappt, er hatte immer totalen Stress, wenn Leckerchen ins Spiel kamen. Aber ich weiß von vielen anderen Pferden die dann richtig aus sich herauskommen.
Rangniedrige Elja
Elli ist meine aktuelle Reitbeteiligung und das erste eher rangniedrige Pferd welches ich reite. Sie ist also ein bisschen Neuland für mich.
Rangniedrige Pferde neigen dazu unsicher zu werden, wenn sie dem Menschen an ihrer Seite nicht vertrauen. Das kann sich zum Beispiel in scheuen, durchgehen oder kleben äußern. Sie brauchen jemanden, auf den sie sich verlassen können. Wenn sie das Gefühl haben, sie müssen selbst auf sich aufpassen haben sie in der Regel Stress und Angst.
Aufgrund einer Knieverletzung war ich eine Weile nicht bei Elli. Das merke ich jetzt. Sie weiß natürlich noch wer ich bin, aber sie ist sich nicht mehr so sicher ob ich auch gut genug auf sie aufpassen kann.
Um das Vertrauen wieder aufzubauen fange ich erst mal wieder ganz klein an. Ich besuche sie auf der Koppel, setze mich hin und warte, dass sie zu mir kommt. Wenn sie das tut wird sie gekrault und bekommt ein Leckerchen. Natürlich nur, wenn sie nicht bettelt oder mich bedrängt.
Im Moment verbringe ich fast jeden Tag meine Mittagspause auf der Koppel, einfach nur im Gras sitzen und was essen. Dem Pony hallo sagen, eventuell kurz mit ihr spazieren gehen oder ein bisschen Bodenarbeit machen und wieder gehen.
Bei Elli ist besonders das richtige Führen wichtig. Wenn ich hier nicht aufpasse rempelt sie mich gerne mal an. Bei der Bodenarbeit achte ich darauf, dass sie grundsätzlich mehr läuft als ich, ich sie aber so oft wie möglich zu mir hole um sie bei mir ruhen zu lassen. Wenn sie dann wieder unkonzentriert wird und mir anzeigt, dass sie das Bedürfnis hat ihre Füße zu bewegen, dann darf sie wieder laufen.
Bei rangniedrigen Pferden musst Du auf Folgendes achten:
- Das Ziel ist es, Deinem Pferd zu zeigen, dass Du auf es aufpassen kannst und es bei Dir sicher ist. Dazu musst Du wie immer Konsequent und konsistent sein.
- Wenn Du im Roundpen trainierst achte darauf, dass Du Deinem Pferd einen Platz der Ruhe bei Dir anbietest. Wenn es dort nicht stehen mag dann ist das ok. Lass es wieder laufen. Aber übertreibe es mit dem Bewegen nicht, in der Regel gehen diese Pferde genug vorwärts und Du willst, dass sie etwas ruhiger sind. Du solltest Deinem Pferd also so häufig wie möglich anbieten bei Dir zu ruhen.
- Lass Dich nicht anrempeln oder bedrängen. Wenn Du Dich von Deinem Pferd herumschubsen lässt bedeutet das für es, dass es ranghöher ist als Du. Es muss also selbst auf sich aufpassen, wenn es mit Dir alleine ist und kann nicht auf Dich vertrauen.
- Mach Schrecktraining mit Deinem Pferd, damit es sich wegen der vielen gruseligen Dinge in der Welt keine Sorgen mehr machen muss.
Ganz Allgemein: Denke nicht zu viel drüber nach!
Wenn mein Vorgehen bei allen drei Pferden eins gemeinsam hatte dann das: ich habe nicht zwanghaft versucht das Vertrauen zu gewinnen. Tatsächlich habe ich gar nicht viel darüber nachgedacht.
Wir Mädels neigen ja dazu alles totzudenken und überzuanalysieren. Wenn Du immer freundlich, fair und konsequent mit Deinem Pferd umgehst kommt das Vertrauen irgendwann ganz von selbst. Erzwingen kann man es sowieso nicht und wenn man es zu sehr will, baut man bei sich selbst und seinem Pferd nur Druck auf.
Fazit
Wie Du siehst gehe ich je nach Pferdepersönlichkeit sehr unterschiedlich vor um Vertrauen aufzubauen. Jedes Pferd ist anders und man muss immer einen individuellen Ansatz finden. Es gibt hier kein Zauberrezept nach dem es immer klappt.
Wenn Du Dich mit dem Pferdeverhalten beschäftigst, Dir Zeit lässt und – um es mit den Worten einer netten Leserin zu sagen – auf Kopf, Herz und Bauch hörst, dann wirst Du einen passenden Weg für Dich und Dein Pferd finden.
In dem Sinne: viel Spaß, Freundschaft und Vertrauen mit Deinem Pferd!
Wie hast Du das Vertrauen Deines Pferdes gewonnen? Erzähl mit Deine Geschichte, ich freue mich drauf!
Meine Nominierung für den nächsten Artikel geht an Daniela von Fair Riding Corp, sie hat gerade ein neues Pferd und steckt mitten in der Vertrauensarbeit – sehr spannend!
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*Auch hier möchte ich wieder darauf hinweisen, dass ich kein professioneller Trainer bin und jeder meine Empfehlungen auf eigene Gefahr durchführt. Ich empfehle immer einen erfahrenen Trainer vor Ort hinzuzuziehen! *