
Im letzten Artikel bin ich auf mein Vorgehen beim Schrecktraining eingegangen.
Heute möchte ich ein wenig über das Training im Roundpen erzählen. Das Pferd lernt im hier und jetzt zu sein und sich auf Dich zu konzentrieren. Klebenden Pferden fehlt meist der Fokus, sie sind sehr schnell abgelenkt und schaffen es nicht sich zu konzentrieren.
*Auch hier möchte ich wieder darauf hinweisen, dass ich kein professioneller Trainer bin und jeder meine Empfehlungen auf eigene Gefahr durchführt. Wenn Du noch nicht viel Erfahrung mit Pferden, ihrem Verhalten, Bodenarbeit und Schrecktraining hast solltest Du Dir überlegen einen professionellen Trainer zur Unterstützung zu suchen!*
Die Vorgehensweise habe ich von Warwick Schiller gelernt. Wenn Du Englisch verstehst kann ich Dir seine Videos empfehlen! Ich finde nicht alles gut was er macht, aber das geht mir bei jedem Trainer so und er hat ein paar tolle Ansätze.
Wie immer gilt: Du musst Dein Vorgehen ganz individuell Deinem Pferd anpassen! Wenn das, was ich hier vorschlage nicht hilft oder das Problem sogar schlimmer macht, hör auf und versuche etwas anderes! Es gibt nicht nur einen Weg zum Ziel und was für den einen passt ist für den anderen nicht gut.
Wenn Du Vorschläge für ein anderes Vorgehen hast freue ich mich über Deinen Kommentar! Ich weiß bei weitem nicht alles und lerne sehr gerne dazu.
Trainingsplan für klebende Pferde
1. Richtig Führen
Wie das geht kannst Du hier nachlesen.
2. Schrecktraining
3. Training im Roundpen
Grundsätzliches
Mein Ziel beim Training im Roundpen ist es, dass sich mein Pferd mehr auf mich konzentriert und darauf achtet was ich tue. Es geht nicht darum das Pferd wie wild im Kreis zu scheuchen bis es müde ist. Und es geht auch nicht darum, das Pferd dazu zu kriegen ohne Halfter hinter mir her zu laufen (das sogenannte “Hooking On”) – das ist nur eine Begleiterscheinung, wenn mein Pferd auf mich konzentriert ist und nichts, an dem ich bewusst arbeite.
Es geht also darum, das Pferd zu Dir und ins Hier und Jetzt zu holen, eine Verbindung aufzubauen.
Sollte Dein Pferd einen panischen Eindruck machen – hör sofort auf! Für manche Pferde passt dieses Vorgehen nicht, dann sollte man unverzüglich abbrechen. Du willst Dein Pferd nicht in Panik versetzen, oder es in eine erlernte Hilflosigkeit treiben damit zerstörst Du mehr als Du Gutes tust.
Wenn ich im Roundpen ankomme, ziehe ich dem Pferd das Halfter aus und lasse es frei. Außer einem Horseman-Stick* mit Bändchen habe ich nichts dabei.
Die ersten Minuten lasse ich mir Zeit das Pferd zu beobachten und halte mich sehr neutral, bzw. tue nichts. Hier hast Du schonmal die Chance, den Gemütszustand Deines Pferdes einzuschätzen: läuft es direkt von Dir weg oder bleibt es bei Dir? Rennt es aufgeregt im Kreis oder schlendert es durch den Roundpen und erkundet ihn erst mal? Hat es seine Aufmerksamkeit bei Dir oder ignoriert es Dich?
Die einzige Situation in der ich in den ersten Minuten überhaupt etwas tue ist, wenn das Pferd mir zu Nahe kommt und mich bedrängt. Dann schicke ich es von mir weg, zum Beispiel indem ich die Hände oder den Horseman-Stick hoch hebe. Bei vielen Pferden reicht es auch sich groß zu machen und bewusst an “halte Abstand” zu denken. Das klingt zwar sehr esoterisch, wirkt aber tatsächlich sehr gut.
Hier ist es wichtig, dass Du unterscheiden kannst ob Dein Pferd freundlich und höflich zum Hallo Sagen oder Kraulen kommt, oder eben ob es Dich gerade bedrängt. Wenn Dein Pferd nämlich höflich auf Dich zu kommt hast Du keinen Grund es wegzuschicken.
Grundsätzlich ist es beim Training im Roundpen und auch ansonsten beim Umgang mit Pferden wichtig, dass Du ruhig und gelassen bleibst, egal was das Pferd tut. Das ist oft einfacher gesagt als getan, aber Du solltest es immer im Kopf behalten und so gut umsetzen wie Du kannst.
Und ganz wichtig: jeden noch so kleinen Schritt in die richtige Richtung loben! Natural Horsemanship und Lob schließen sich in meinen Augen nicht aus.
Bei den meisten klebenden Pferden wird es so sein, dass Dein Pferd aufgeregt durch den Roundpen rennt und versucht mit dem Kopf nach außen über die Bande zu schauen. Auf Dich wird es vermutlich eher nicht achten.
Das Training
Dein Pferd rennt also durch den Roundpen und beachtet Dich nicht weiter. Damit es Dich beachtet wirst Du nun verlangen, dass es die Richtung wechselt. Dazu trittst Du ein paar Schritte seitlich in Richtung Kopf des Pferdes und hebst den Stick als optische Begrenzung.
Dein Pferd hat nun drei Möglichkeiten:
1. Es wechselt nicht die Richtung und rennt an Dir vorbei.
Dann schwingst Du den Horseman-Stick oder die Longiergerte in Richtung seines Hinterteils, wenn es auf Deiner Höhe ist und übst somit leichten Druck aus, lässt es aber weiter in der „falschen“ Richtung laufen. Danach versuchst Du so lange an dieser Stelle Dein Pferd die Richtung wechseln zu lassen bis es das tut.
2. Es wechselt die Richtung und dreht sich dabei nach außen um – das heißt sein Hinterteil zeigt zu Dir.
Das ist etwas, was Du nicht möchtest, einfach weil es gefährlich werden kann falls Dein Pferd zum Treten neigt. Dein Pferd sollte lernen, sich nicht mit dem Hinterteil zu Dir zu drehen. Als Reaktion darauf lässt Du Dein Pferd sofort wieder die Richtung wechseln.
In der Praxis: Dein Pferd läuft links herum. Du lässt es die Richtung wechseln und es dreht sich mit seinem Hinterteil zu Dir. Dann musst Du schnell nach rechts laufen und den Stick auf einen Punkt vor Deinem Pferd schwingen. Du versuchst also nicht, Dein Pferd zu treffen – aber wenn es in diesen Punkt hinein läuft dann hörst Du auch nicht auf den Stick zu schwingen. Wenn Dein Pferd getroffen wird ist das sein Problem – es hat genug Ausweichmöglichkeiten.
Das mag nun herzlos und gemein klingen, aber gerade Pferde, die dazu neigen Dich über den Haufen zu rennen müssen lernen, dass Du Dich nicht herumschubsen lässt.
Wie immer versteht sich von selbst, dass Du, auch wenn Du das Pferd mit dem Bändchen des Sticks oder der Gerte triffst, niemals fest zuschlägst. Die meisten Pferde werden allerdings nicht in diesen Punkt hineinlaufen, in dem sie getroffen werden können.
3. Dein Pferd wechselt die Richtung indem es nach innen umdreht, das heißt es dreht mit dem Hinterteil von Dir weg.
Das ist perfekt und Du musst nichts tun, genau das wollen wir.
Du lässt also Dein Pferd ein paar Mal die Richtung wechseln. Dazwischen lässt Du es im Trab vorwärts laufen. Wenn es von sich aus galoppiert ist das auch ok, nur Schritt sollte es nicht gehen. Früher oder später wird es sein inneres Ohr zu Dir drehen – das erste kleine Zeichen, dass es mit seiner Aufmerksamkeit bei Dir ist. Wenn seine Aufmerksamkeit wieder von Dir weggeht und es zum Beispiel über die Bande guckt lässt Du es wieder die Richtung wechseln.
In der Pferdewelt bewegt der Ranghöhere den Rangniederen. Das heißt, Dein Pferd sollte sich mehr bewegen als Du. Aber Du willst auf keinen Fall ein tyrannischer „Chef“ sein, sondern ein fairer, für den Dein Pferd gerne etwas tut. Achte deshalb immer auch auf Dich und Deine Ausstrahlung: bleibe freundlich und entspannt. Wenn Du wütend wirst solltest Du Dich wieder zusammenreißen oder das Training beenden.
Lass Dein Pferd bei Dir zur Ruhe kommen
Wenn Dein Pferd mit seiner Aufmerksamkeit bei Dir ist kannst Du anfangen, ihm einen Platz der Ruhe bei Dir anzubieten. Dazu fängst Du an schräg rückwärts zu laufen, so dass Du auf Kopfhöhe Deines Pferdes kommst. Damit „ziehst“ Du Dein Pferd zu Dir ins Innere des Roundpens. Stell Dir vor von Deinem Bauchnabel bis zum Pferdekopf wäre ein Gummiband gespannt.
Auch hier hat Dein Pferd wieder mehrere Möglichkeiten:
1. Es kommt nicht zu Dir in die Mitte, sondern läuft in gleicher Richtung weiter an Dir vorbei.
Wenn es auf Deiner Höhe ist schwingst Du den Stick in Richtung seines Hinterteils und treibst es damit an. In der nächsten Runde versuchst Du es an der gleichen Stelle wieder zu Dir zu „ziehen“ wie oben beschrieben.
2. Es wechselt die Richtung, indem es ein paar Schritte zu Dir nach innen kommt, sich dann aber abwendet und weiter läuft.
Das ist ok, Dein Pferd ist noch nicht bereit den Ruheplatz bei Dir anzunehmen, bzw. versteht noch nicht, dass es bei Dir seine Ruhe hat. Lass es eine Runde laufen und versuche es erneut.
3. Es läuft zu Dir nach innen und kommt sehr nahe an Dich heran.
Wenn Du das Gefühl hast, Dein Pferd bedrängt Dich schicke es wieder nach außen und lasse es ein paar Runden laufen. Versuche es dann erneut.
4. Es kommt zu Dir in die Mitte und bleibt in respektvollem Abstand stehen.
Atme tief aus und wende Dich ein bisschen ab, so dass Deine Körperseite zum Pferd zeigt. Bleibe ruhig und entspannt stehen so lange Dein Pferd stehen bleiben mag. Wenn es irgendwann wegläuft ist das ok, lass es eine Runde laufen und versuche es wieder zu Dir hineinzuziehen und es bei Dir ruhen zu lassen.
Besonders für unsichere, klebende Pferde ist es wichtig, dass sie bei Dir einen Ruhepol haben. Deshalb ist das Ziel im Roundpen, sie möglichst viel bei Dir stehen zu lassen und nichts zu tun.
Trainiere nur in kurzen Einheiten
Du musst nicht alle oben beschriebenen Schritte in einer Trainingseinheit machen, das wäre je nach Zustand des Pferdes viel zu viel auf einmal. Wenn Du das Gefühl hast, dass es gerade gut läuft, höre auf. Es ist wichtig, dass Du jedes Training positiv abschließt. Für das eine Pferd kann es schon ein großer Fortschritt sein, wenn es sein Ohr zu Dir dreht. Ein Anderes lernt vielleicht schon, dass es sich mit dem Hinterteil von Dir weg drehen soll. Und wieder ein Anderes kommt bei Dir zur Ruhe.
Aber das ist eine ganz individuelle Sache und Du solltest lieber wenig machen und viele (Denk-)Pausen einbauen. Lass Dir Zeit!
Zusammengefasst
Durch das Training im Roundpen lernt Dein Pferd Dir seine Aufmerksamkeit zu schenken, es lernt, dass Du in eurer Zweierbeziehung ein fairer „Chef“ bist und es lernt, dass es bei Dir wann immer es möchte einen Ruheplatz hat.
In diesem Video kannst Du sehen was ich beschrieben habe:
4. Training im Sattel
Im vierten Artikel der Serie geht es um das Training im Sattel. Hier erkläre ich was ich tue, wenn mein Pferd in der Halle oder auf dem Platz immer zu den anderen Pferden hinzieht oder zu nahe an ihnen kleben bleibt. Dieses Vorgehen lässt sich auch auf einen Ausritt übertragen, bei dem man einen anderen Weg reiten möchte als der Mitreiter und die Pferde sich trennen müssen.
Hast Du schonmal mit Deinem Pferd im Roundpen trainert? Wie bist Du dabei vorgegangen?