
Auf den Reitplätzen bietet sich mir oft ein trauriges Bild: Reiter mit verkniffenen Gesichtern die angestrengt ihre Pferde durch die Übungen treiben. Wirklich viel Spaß scheint ihnen das nicht zu machen. Ihren Pferden erst recht nicht.
Viele dieser Reiter sind keine Turnierreiter, oder wenn, dann nur spaßeshalber.
Da ist es wieder, dieses Wort: Spaß.
Wenn sie zum Spaß reiten, warum dann mit so viel Anstrengung und Verbissenheit?
Oft führt genau diese Verbissenheit dazu, dass es erst recht nicht funktioniert. Dann sieht man entnervte Reiter, die härter zupacken als nötig und ihre Pferde dafür bestrafen, dass sie etwas nicht verstanden haben.
Hast Du noch Spaß am Reiten?
Wie sieht es bei Dir aus? Hast Du noch Spaß am Reiten oder quälst Du Dich durch Lektionen, weil es alle tun oder Du es einfach gewöhnt bist?
Oft verfallen wir so in einen Trott, dass wir gar nicht mehr merken, dass wir darin unglücklich sind und es auch anders geht.
Ich finde, jeder Reiter sollte sich ab und an folgende Fragen stellen:
- Fahre ich gern zum Stall, oder ist es (lästige) Arbeit für mich?
- Sehe ich einen Sinn darin was ich mit meinem Pferd tue?
- Habe ich ein Ziel, welches ich erreichen möchte?
- Ärgere ich mich regelmäßig, wenn etwas nicht klappt?
- Bin ich gut gelaunt, wenn ich vom Stall nach Hause fahre?
- Kommt mein Pferd gerne zu mir?
- Macht mein Pferd einen zufriedenen Eindruck vor, während und nach dem Reiten?
- Fühle ich mich gestresst und unter Druck, wenn ich am Stall bin?
Sei ehrlich zu Dir selbst, wenn Du diese Fragen beantwortest. Am Besten schreibst Du die Antworten sogar auf, dadurch wirst Du gezwungen, Dir Deine Gedanken und Gefühle bewusst zu machen sie und genau zu benennen.
Je nachdem wie Deine Antworten ausfallen, solltest Du Dir überlegen, ob Du den Umgang mit Deinem Pferd und Dein „Warum reite ich?“ nicht überdenken möchtest.
Wir alle machen uns oft zu viel Druck
Auch ich musste mich vor einiger Zeit fragen, wo die Leichtigkeit und Freude hin ist, die ich noch als Kind im Umgang mit Pferden hatte.
Je älter wir werden, desto mehr müssen wir „funktionieren“. Ob das in der Schule, der Uni oder im Job ist, wir sollen immer unser Bestes geben und natürlich auf keinen Fall scheitern. Man erzählt es uns lange genug und irgendwann glauben wir, dass uns keiner mehr will wenn wir scheitern.
Und genau das nehmen wir mit zu unserem Pferd.
Alles muss funktionieren. Dabei sind wir nicht nur hart zu unserem Pferd, sondern auch oft hart und gnadenlos zu uns selbst. Unser Leben wird durchgeplant und optimiert, wir streben ständig danach uns zu verbessern, wollen schöner, fitter, schlauer und erfolgreicher werden.
Dagegen habe ich nichts. Ich finde Ziele sind wichtig im Leben.
Aber sie dürfen uns nicht den Spaß und die Leichtigkeit rauben! Sonst verliert das Erreichen des Ziels seine Magie und wird zum inhaltsleeren Abhaken einer inneren ToDo-Liste.
Werde wieder zum Kind, wenn Du bei Deinem Pferd bist
Wenn es Dir so geht, dass Du eigentlich keine Freude mehr an der „Arbeit“ (allein dieses Wort ist schon schrecklich, die meisten Leute gehen überhaupt nicht gerne zur Arbeit, warum also dieses Wort nutzen um die gemeinsame Zeit mit dem Pferd zu beschreiben?) mit Deinem Pferd hast, dann ist es nun an der Zeit einen Strich zu ziehen.
Fang von vorne an. Versuche Dich daran zu erinnern, warum Du als Kind angefangen hast zu Reiten. Erinnere Dich daran, wie Du Dich gefühlt hast, wenn Du mit Pferden zusammen warst. Lerne die Zeit mit Deinem Pferd wieder wertzuschätzen und wirf Deine Erwartungshaltung über Bord. Dein Pferd schuldet Dir nichts.
Bei mir war es so, dass ich als Kind gar nicht zwingend reiten musste, ich war einfach nur glücklich, wenn ich in der Nähe von Pferden sein konnte. Stundenlang habe ich mich am Stall und auf den Koppeln herumgetrieben. Und ich bin niemals davon ausgegangen, dass das Pferd mir etwas schuldig ist. Ich habe die Pferde als meine Freunde gesehen und war dankbar, wenn sie Zeit mit mir verbringen wollten.
Irgendwo auf meinem Weg des Erwachsenwerdens ist dann etwas schief gelaufen. Ich weiß gar nicht genau woran es lag. Vielleicht an den unausweichlichen Sprüchen von „Setz dich mal durch, der muss jetzt“. Oder an meinem eigenen Ehrgeiz. Jedenfalls war es mir irgendwann eine Last an den Stall zu fahren. Und ich wusste, dass ich etwas ändern muss.
Das ist nun schon einige Jahre her. Mittlerweile fahre ich ohne Erwartungen zum Stall und freue mich, wenn ich und das Pony etwas gut machen. Wenn etwas nicht klappt kann ich darüber lachen – ich bin zum Spaß dort und bin – außer dem Pony – niemandem etwas schuldig.
Wie ich zu dieser Einstellung gekommen bin?
Ich möchte Dir eine Geschichte erzählen
Du triffst Dich mit einer guten Freundin um zusammen zu trainieren – sie will das Sportabzeichen machen und Du hast angeboten mit ihr zu üben, weil Du es schonmal gemacht hast. Die ersten paar Wochen habt ihr unheimlich viel Spaß, ihr verbringt gerne Zeit miteinander und lacht über ihre gescheiterten Versuche.
Mit der Zeit wird sie besser, aber um das Sportabzeichen tatsächlich zu schaffen müsste sie noch etwas mehr trainieren. Und das mit dem Kugelstoßen bekommt sie einfach nicht hin, dabei hast Du es ihr schon so oft erklärt!
Als sie es schon wieder nicht schafft die Kugel mit der richtigen Technik zu werfen platzt Dir der Kragen. Du sagst „du kriegst aber auch gar nichts hin, bist du blöd?“, nimmst grob ihren Arm und führst ihn in der Bewegung, die sie machen soll.
Als ihr euch zur nächsten Trainingseinheit trefft ist Deine Freundin still und hat keine große Lust zu trainieren. Das Kugelstoßen würde sie lieber ganz weglassen, aber Du sagst „Nein, das musst Du jetzt machen, wir gehen nicht bevor das geklappt hat! Versuch ja nicht dich davor zu drücken“. Dabei schaust Du sie streng an.
Spaß habt ihr beide keinen mehr. Und wenn ihr das lange so weiter macht leidet die Freundschaft.
Würdest Du so mit einer Freundin oder einem Freund umgehen? Eher nicht, oder?
Dann tu es auch nicht mit Deinem Pferd.
So hast Du wieder mehr Spaß mit Deinem Pferd
- Wir haben so viele Verpflichtungen und immer mehr Stress. Mach Dir nicht auch noch in der Zeit mit Deinem Pferd Stress, sondern schaffe Dir einen Freiraum. Sieh die Zeit mit Deinem Pferd als eine Auszeit. Eine Zeit, nur für euch beide, in der Dich die Sorgen des Alltags nicht berühren.
- Schalte Dein Handy auf lautlos und schaue am Stall nicht mehr darauf. Die meisten „Dramen“ können ein paar Stunden warten. Manche lösen sich in dieser Zeit sogar ganz von selbst. Und Dein Pferd verdient Deine ungeteilte Aufmerksamkeit.
- Lege einen imaginären Schalter in Deinem Kopf um und betrachte Dein Pferd einmal mit „frischem“ Blick. Setz Dich auf die Koppel zu ihm und sieh Dir einfach nur an, was es so treibt. Lass Dir Zeit. Nimm Dir etwas zu schreiben mit und mache eine Liste mit Deinen neuen Zielen. Das können auch Ziele sein wie „Ich fühle mich nicht mehr so gestresst und bin geduldiger“ oder „Ich motiviere mein Pferd mehr und es lernt gerne mit mir zusammen“. Diese Ziele kannst Du Dir auch als PostIt’s an den Spind hängen, so hast Du sie immer vor Augen. Wichtig ist, dass Du sie so formuierst, als hättest Du sie bereits erreicht. Keine Worte wie „irgendwann“, „vielleicht“, „bald“, „ich möchte“ oder ähnliches.
- Wirf Deine Erwartungen und den Anspruch an Perfektion über Bord. Natürlich solltest Du Dir Mühe geben, kein Reiter hat jemals ausgelernt. Perfektionismus macht Dich aber in der Regel nur unglücklich und frustriert. (Ich muss es wissen, ich halte meinen eigenen Perfektionismus mal mehr und mal weniger erfolgreich in Schach ;-) )
- Probiere neue Dinge aus: Equikinetic, Clickern, Freiheitsdressur, Distanzreiten, Working Equitation, Geocaching mit Pferd, … Die Liste ist endlos.
- Und zu guter Letzt: mach Dein Ding! Nur Du weißt, was Dich und Dein Pferd glücklich macht. Wenn das jemand anderes nicht versteht ist das nicht Dein Problem.
Lesetipps:
Auf Tash Horseexperience gibt es einen tollen Artikel darüber beim Umgang mit dem Pferd mehr im Moment zu sein.
Und Miri von MeinFaible schreibt über Selbstzweifel, Glück und darüber, seinen eigenen Weg zu gehen.
Hast Du noch Spaß mit Deinem Pferd? Oder hast Du eine solche Phase hinter Dir und möchtest uns erzählen, wie Du sie überwunden hast?