
„Ich würde ja so gerne auch reiten können. Aber mit 40 bin ich einfach zu alt um das noch zu lernen. Und dann mit diesen ganzen jungen Mädels…“
Den Satz habe ich schon öfter gehört.
Und es ist auch wirklich so: die meisten Reiter fangen schon im Kindesalter mit dem Reiten an. Man lernt als Kind schneller, man ist beweglicher und macht sich nicht so viele Gedanken und Sorgen.
Trotzdem bin ich der Meinung: Zum Reiten Lernen ist man nie zu alt, solange man noch körperlich fit genug ist! Wenn Du wirklich reiten möchtest, sollte das Alter dich auf keinen Fall abhalten!
Schau dir nur mal die Queen an, die reitet noch mit 88 auf ihrem Pony durch den Windsor Park!
Weil unter meinen Lesern einige Späteinsteiger dabei sind, möchte ich hier mal meine Tipps zusammenfassen.
Wann Du besser nicht reiten solltest
So sehr ich davon überzeugt bin, dass man auch als Erwachsener noch reiten (lernen) kann, möchte ich doch nicht leugnen, dass es Umstände gibt, unter denen man besser nicht reitet.
- Du hast größere körperliche/gesundheitliche Probleme. Zum Reiten solltest Du eine gewisse Grundfitness mitbringen. Wenn die nicht vorhanden ist, wirst Du ein Pferd nicht gesund reiten können und auch Dir selbst keinen Gefallen tun. Am Besten sprichst Du Deine Reitwünsche mal mit Deinem Arzt ab, denn das ist wieder eine ganz individuelle Sache. Bei manchen Rückenbeschwerden zum Beispiel kann Reiten nämlich auch helfen. Wenn Du nicht reiten kannst, aber trotzdem mit Pferden arbeiten möchtest, denke doch mal über Bodenarbeit, Freiheitsdressur oder zirzensische Lektionen nach. Man kann mit Pferden so viel anderes tun als reiten!
- Du bist sehr unsicher und/oder hast Angst. Es ist normal, am Anfang ein mulmiges Gefühl zu haben. Das sollte sich aber mit steigender Erfahrung erldigen. Wenn Du nach einiger Zeit immer noch Angst hast solltest Du Dir überlegen ob Reiten wirklich etwas für Dich ist. Wenn wir mit Angst im Sattel sitzen merkt das Pferd das auch und wird selbst schreckhaft und ängstlich – ein Teufelskreis der schnell zu Unfällen führen kann.
Das trifft nicht auf Dich zu? Super! Dann gibt es nun die Tipps:
1. Such Dir einen guten Reitlehrer/Stall
Das gilt natürlich für jeden Reitanfänger, ich möchte es aber trotzdem nicht unerwähnt lassen.
Ein guter Stall muss meiner Meinung nach folgende Punkte erfüllen:
- Die (Schul-)Pferde stehen nicht rund um die Uhr in der Box, sondern haben Koppelgang und stehen idealerweise im Offenstall. Pferde, die genügend Bewegung und Kontakt zu Artgenossen haben, sind ausgeglichener. Das ist besonders für Reitanfänger wichtig, da niemand auf einem Pulverfass sitzen möchte, dass sich nur ein paar wenige Stunden am Tag bewegen darf. Gerade als älterer Reiter möchte und sollte man Stürze natürlich möglichst vermeiden.
- Es wird nicht mit Ausbindern geritten. An manchen Ställen wird das Pferd bei der Sitzschule an der Longe ausgebunden, damit Anfänger das Sitzen besser lernen können. Ich habe da sehr zwiespältige Gefühle: einerseits bin ich gegen den Einsatz von Hilfszügeln, andererseits verstehe ich natürlich, dass ein Anfänger es schwer hat auf einem Pferd sitzen zu lernen, was den Rücken wegdrückt und nicht versammelt geht. Ein ziemliches Dilemma, das Du für Dich selbst entscheiden musst. (Ich habe es übrigens ohne Ausbinder gelernt – war da aber gerade mal 4 Jahre alt, da fällt einem das noch leichter)
- Die Schulpferde machen einen gesunden Eindruck: das Fell glänzt (kann im Offenstall aber auch mal matschig sein), sie sind nicht abgemagert, wenn man auf sie zugeht reagieren sie freundlich und neugierig.
- Die Gruppen in der Reitstunde sollten nicht zu groß sein – mein absolutes Maximum und Obergrenze sind 6 Reiter. 4 sind besser. Und in den Anfängerstunden sollten es noch weniger sein.
- Der Reitlehrer/die Reitlehrerin sollte ruhig und höflich bleiben. Die herumbrüllenden Reitlehrer meiner Anfangszeit sollten der Vergangenheit angehören, diese Vorgehensweise hilft niemandem!
- Der Reitlehrer/die Reitlehrerin sollte Fragen beantworten (können). Zum Reiten gehört auch die entsprechende Theorie!
Natürlich gibt es noch weitere Punkte. Aber ich denke, die, die ich genannt habe, sind auch für einen Anfänger zu erkennen, alles weitere kommt dann wenn das Wissen und die Erfahrung steigt.
2. Nimm am Anfang Einzelunterricht und frage später nach einer Gruppe in Deinem Alter
Viele Leute, die spät mit dem Reiten anfangen, wollen verständlicherweise nicht mit den ganzen pubertierenden Mädels reiten lernen.
Das kannst Du ganz gut umgehen, indem Du am Anfang erst mal Einzelunterricht nimmst. Das macht lerntechnisch gesehen sowieso am meisten Sinn.
Danach kannst Du Deinen Reitlehrer fragen, ob es eine Gruppe mit älteren Reitern gibt in der Du mitreiten kannst. In vielen größeren Ställen gibt es diese Gruppen. Es gibt auch Ställe die speziell für Späteinsteiger Unterricht anbieten – Frage einfach mal bei den Vereinen in Deiner Nähe nach.
Und wenn nicht, kannst Du schon ein bisschen was, wenn Du zu den jungen Mädels musst. Außerdem kann es gar nicht so schlecht sein und es entstehen nette Freundschaften. Ich bin mein Leben lang in sehr gemischten Gruppen geritten und es war immer großartig!
3. Stelle Fragen und sei kritisch
Frage, sobald Du etwas nicht verstehst oder genauer erklärt bekommen magst! Dazu gehört auch, dass Du selbst mitdenkst und auch mal kritische Fragen stellst. Reiten hat viel mit Gefühl zu tun, wenn sich etwas für Dich nicht richtig anfühlt darfst Du das sagen.
Du bist eine erwachsene Frau oder ein erwachsener Mann und stehst mit beiden Beinen im Leben. Da solltest Du Dich auf keinen Fall schämen Fragen zu stellen.
Wenn Dein Reitlehrer patzig wird solltest Du den Reitlehrer wechseln – immerhin bezahlst Du ihn, dann soll er auch Deine Fragen beantworten.
(Natürlich solltest Du nicht so viel fragen, dass der Unterricht permanent unterbrochen wird. Sprich Deinen Reitlehrer dann nach der Stunde an, vielleicht ist er bereit mal eine Theoriestunde anzubieten.)
4. Lese Fachbücher, Blogs, schaue Lehrvideos
Auch hier wieder ein Tipp, der eigentlich für alle Reiter gilt.
Du hast den Vorteil, dass Dir wirklich viele Informationsquellen zur Verfügung stehen. Als ich anfing zu reiten lag das Internet erst in den Anfängen…
Dabei solltest Du auch hier immer kritisch bleiben und Dir Deine eigene Meinung bilden. Gerade auf Blogs (wie diesem hier) werden vorwiegend persönliche Erfahrungen weitergegeben. Die können gut sein, oder aber auch für Dich und Dein Pferd nicht passend. Jedes Pferd-Reiter-Paar muss individuelle Lösungen finden. Ein Blog kann immer nur Anregung und Denkanstoß sein.
Einige meiner Lieblingsbücher und Lieblingsblogs findest Du auf meiner Lesetipps-Seite.
5. Verlange regelmäßige Sitzschulungen
In einem guten Reitstall wirst Du die sowieso bekommen. Aber es gibt immer noch einige Reitlehrer, die das nicht von sich aus machen, warum auch immer.
Ein guter Sitz ist das A und O beim Reiten. Wenn Du richtig reiten lernen willst kommst Du um regelmäßige Sitzschulungen nicht herum.
6. Treibe Sport neben dem Reiten um Dich fit und beweglich zu halten
Ich mache Yoga, gehe regelmäßig Joggen und mache Krafttraining. (Ja, ich bin ein Sport-Freak ;-) )
Ganz so viel muss es nicht sein, schon eine halbe Stunde Stretching jeden zweiten Tag kann sehr viel bewirken. Ohne Beweglichkeit, Körperspannung und Koordination wird es sehr schwer ein guter Reiter zu werden.
Tipp: Von Hippovital gibt es ein (kostenpflichtiges) Video zum Thema Gymnastik speziell für Reiter.
7. Denke nicht zu viel nach
Mach Dich nicht verrückt! Du wirst es lernen.
Genieße die Zeit mit dem Pferd und lass den Anspruch an Perfektion hinter Dir!
Nun musst Du nur noch den ersten Schritt tun.
Bist Du Späteinsteiger? Womit hast Du Probleme? Oder klappt alles gut bei Dir? Erzähl doch mal von Deinen Erfahrungen!